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Frachter machen Musik, die – wenn’s denn sein muss – am ehesten in die Schublade ‚Emopunk‘ zu kategorisieren ist. Das Weimarer Dreigespann verbindet DIY-Geist, kritische Theorie und Hinterland-Eckkneipe, Skatepunk-Geschrubbel, Breakdown-Gewitter und Indie-Ballade, gefälliges Melodienspiel, eigenwillige Texte und Mut zur Disharmonie. Nach tausendundeiner schweißtreibenden Nacht in den Autonomen Zentren der Bundesrepublik schicken sich Aaron [Gitarre, Gesang], Dome [Bass] und Philipp [Schlagzeug] im Februar 2023 an, ihr erstes Album »Bad Sterben« zu veröffentlichen.

Frachter sind Newcomer mit Vorgeschichte. Als die Band – anfangs noch unter anderem Namen – ihre ersten Konzerte spielt, gehen ihre Mitglieder noch zur Schule. Nach einigen Jahren des Vorgeplänkels, dem Zugewinn von Drummer Philipp und der Umbenennung erscheint im April 2019 die EP »Bluthen«. Frachter bespielen in stetig steigender Frequenz dutzende Bühnen in ganz Deutschland [darunter das »Rock am Berg«-Festival in Merkers, die Wabe in Berlin und das Werk2 in Leipzig], knüpfen etliche Kontakte in die aktive Szene und kommen 2022 beim Bremer Label Gunner Records unter die Fittiche. Hier wird am 17.02.2023 ihr Debütalbum »Bad Sterben« erscheinen – auf vielen Ebenen der beste Beweis für ihre organische Professionalisierung. Auf elf Anspielstationen entfalten Frachter hier ein neues Level an kreativem Ausdruck, künstlerischer Breite und technischem Effet.

Der Platte ist anzuhören, dass das Trio seit Jahren gemeinsam musiziert, dass es erwachsen geworden ist, sich Zeit genommen, zu pointieren gelernt hat. »Bad Sterben« überzeugt durch wuchtig-dreidimensionalen Sound, einprägsame Melodieführungen und einen stringent-fülligen Mix. Frachters hochkomplex-dominantes Schlagzeugspiel voller unerwartbarer Brüche ist – ähnlich wie die emotional-druckvollen Gesangsparts – zwar nicht neu, aber spürbar ausgefuchster. Gleichzeitig lebt »Bad Sterben« vom Songwriting, den feinen Formulierungen, den spannenden Wortspielen -und Neuschöpfungen à la »Was nicht passt, wird passend gehasst«. Ohne auf die humorige Note zu verzichten, sprießt aus jedem Text Sehnsucht, trotz gezielter Referenzen an die großen Schreiber früherer Generationen klingt keine Zeile nach Kopie.

Inhaltlich gleicht »Bad Sterben« einem undogmatischen Pamphlet, formuliert von drei – nicht zuletzt von sich selbst – »maßlos Enttäuschten«. Speziell Fokusstücke wie »Schnauzbert«, »Graf Zahl« oder »Homo Faber« sind karikaturartiger Abgesang auf kleinkarierte Denkmuster, gleichzeitig aber auch immer Statusberichte aus dem Innern einer Lawine, die in Lichtgeschwindigkeit den Berg hinab segelt.

Text: Alex Barbian